Bitterstoffe werden auch „Amara“ (lat. = „bitter“) genannt und sind gemäß ihres Namens verantwortlich für den bitteren Geschmack mancher Kräuter.

Eigenschaften

Sie zeichnen sich durch ihren Geschmack und ihre Wasserlöslichkeit aus – sonst ist sie chemisch gesehen keine einheitliche Gruppe. Es wird unterschieden in terpenoide und nicht-terpenoide Bitterstoffe. [i]

Der Geschmack ist, wie der Name schon sagt, äußerst bitter.

Eine Skala, die den Bitterwert darstellt, orientiert sich an der Reaktion der Geschmacksknospen.

Ein Bitterwert von 10 000 entspricht einem Extrakt von 1g Droge in 10 000ml Wasser, das gerade noch als bitter wahrgenommen wird. Den höchsten Bitterwert hat der Enzian (1:58 Mill.) gefolgt vom Wermut (1:13 Mill.).

Die Bitterstoffe werden in drei Kategorien weiter untergliedert:

  • Amara tonica
    Sind die reinen Bitterstoffe, die magensaftanregend, allgemein tonisierend und -stärkend sind.
    Anwendung finden sie zum Beispiel nach langen Krankheiten, um das eigene Immunsystem wieder anzukurbeln (z.B. mit Tausendgüldenkraut, Enzian, …).
  • Amara armoatica
    Sind Bitterstoffe, die zusätzlich ätherische Öle enthalten und somit eine erweiterte Wirkungsweise haben, wie Reduktion von Blähungen, antibakterielle und antiparasitäre Wirkung. Manche fördern auch die Harnausscheidung (z.B. Beifuß, Engelwurz, Schafgarbe)
  • Amara acria
    Sind Bitterstoffe mit zusätzlich beigemengten Scharfstoffen, wie Senföle (z.B. Ingwer, Senf), die die Durchblutung des Gewebes fördern, sich positiv auf Herz-, Kreislauf auswirken und zusätzlich die Verdauung beeinflussen.

Vorkommen

In vielen Pflanzen sind Bitterstoffe enthalten. Bedeutende Mengen enthalten die Pflanzenfamilien Enziangewächse, Doldenblütler, Olivenbaumgewächse, Rosengewächse, Korbblütler (z.B. Löwenzahn, Artemisia, Gundelrebe, …).

 

Funktion für die Pflanze

In der Pflanze dienen Bitterstoffe vorwiegend als Fraßschutz.

 

Wirkung & Verwendung

Bitterstoffe wirken über die Bitterrezeptoren in den Geschmacksknospen des Zungengrunds und sekretionsfördernd auf die Speicheldrüsen- und Magensaftsekretion. Im Magen angelangt wirken sie über eine Freisetzung von Gastrin weiterhin sekretionsfördernd. Die Sekretionszunahme beträgt ca. 25-30%. Im Magen-Darm-Trakt kommt es zur Steigerung der Mobilität und Erhöhung des Muskeltonus. Auch Bauchspeicheldrüse, Leber, Galle werden angeregt.

Weiters wirken Bitterstoffe entzündungshemmend, antibakteriell, fungistatisch (z.B. in Salbei). Einige Bitterstoffe wirken uteruskontrahierend, blutdrucksenkend, immunstimulierend.[ii]

Bei Verdauungsproblemen aller Art werden Bitterstoffe herangezogen.

Eine Bitterstoffkur von drei bis vier Wochen wirkt tonisierend, stärkt, wärmt von innen und ist wohltuend im Winter.

Verwendet werden Bitterstoffe meist in Form von Tee, Tinkturen, Extrakten.

Um unerwünschte Bitterstoffe z.B. in Wurzeln zu reduzieren, legt man sie vorher ca. 1 Std. in Zitronenwasser ein. Dadurch erhalten die Wurzeln auch eine weichere Konsistenz.

Je nachdem welche Wirkung man haben möchte, ist auch die Einnahme relevant:
Möchte man den Appetit anregen, dann nimmt man ca. 30min vor dem Essen, Tee, Tinktur oder Kräuterwein mit vielen Bitterstoffen. Möchte man jedoch die Verdauung ankurbeln, dann nimmt man sollte die Einnahme ca. 30min nach dem Essen sein.

 

Nebenwirkungen

Bei zu hohen Dosen können gegenteilige Effekte wie Sekretions- oder Appetithemmung auftreten, Übelkeit, Brechreiz, gelegentlich Kopfschmerzen. Bei zu hoher Magenaktivitäten (saurer Magen) oder Gallensteinen sind Bitterstoffe eher mit Vorsicht zu genießen.[iii]

Es kann ein Gewöhnungseffekt eintreten – daher empfiehlt es sich, Kuren max. 5 Wochen lang durchzuführen.

 

Löslichkeit

Bitterstoffe sind wasser- und alkohollöslich sowie hitzeempfindlich. Kurz aufwallen ist möglich.
Ein zu langes Kochen reduziert wieder die Bitterstoffe.

 

Geschichte

„bittar“ (althochdt.) = „bitter“ – leitet sich von „beißen“, „geschmacklich beißend scharf“ ab.

In der Volksmedizin wurde schon gesagt, dass „Was bitter dem Mund, ist dem Magen gesund“. Hippokrates legte bereits einen großen Schwerpunkt auf Bitterstoffe – ein Drittel seiner Arzneimittel enthalten Bittermittel. Antonius Musa (Leibarzt von Kaiser Augustus, 1. Jhd. n. Chr.) empfahl dem römischen Volk eine Schüssel mit bitteren Kräutern zur Förderung der Verdauung jeden Abend zu sich zu nehmen.

Hildegard von Bingen setzte auch verstärkt auf die Kraft der Bitterstoffe.

Der bekannte „Schwedenbitter“ besteht zu einem Großteil aus Kräutern mit hohem Bitterwert.[iv]

 

Mystisches & Sagenumwobenes

„Bitterstoffe machen „warm ums Herz“ und eignen sich für Menschen, die ihre Spannkraft verloren haben, die lethargisch und antriebslos dem Leben gegenüber sind und kein Interesse an der Gegenwart haben. … können helfen, Herz und Geist wieder zusammenzufügen und die Willenskraft zu stärken. Bitterstoffe gelten als „Mutmacher“…“[v]

 


[i] Heilpflanzen – Praxis heute: – Band 1 Arzneipflanzenportraits von Siegfried Bäumler | Urban & Fischer (ISBN: 978-3437572722), 2. Auflage, 2012, S. 27

[ii] Heilpflanzen – Praxis heute: – Band 1 Arzneipflanzenportraits von Siegfried Bäumler | Urban & Fischer (ISBN: 978-3437572722), 2. Auflage, 2012, S. 27

[iii] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 156

[iv] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S.149f

[v] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 156

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