Die Bezeichnung Cumarin stammt von „Coumarouna“, einem in Guayana heimischen Baum (Dipteryx odorate). Die getrockneten Früchte, bekannt als Tonkabohnen, duften süß nach Cumarin. Ähnlich intensiv nach Cumarin duftet getrockneter Honigklee oder Waldmeister.[i]
Eigenschaften
Das Cumarin ist meist ein geruchloses Glykosid (= Polyphenol) und wird erst beim Verwelken oder Trocknen durch Abspaltung als duftendes Aglykon freigesetzt. Das Aglykon ist ein flüchtiger Stoff, zählt jedoch nicht zu den ätherischen Ölen.[ii]
Bei den 150 bekannte Arten wird unterschieden nach:
Dicumarol
Entsteht durch den Einfluss von Schimmelpilzen auf cumarinhaltige Planzenteile. Im Organismus setzt es die Zellwandspannung herab, verlangsamt die Blutgerinnung und erhöht die Blutungsbereitschaft. Dicumarol verdrängt das für die Blutgerinnung wichtige Vitamin K.[iii]
Furanocumarine / Furocumarine
Bewirken durch eine chemische Reaktion nach UV-Einstrahlung ein Herabsetzen der Lichtreizschwelle der Haut und können daher fototoxische Reaktionen hervorrufen. Circa nach 7-12 Stunden können sich nach Hautkontakt und anschließender Sonneneinstrahlung Bläschen oder Hautrötungen bilden. Umgangssprachlich nennt man diese Reaktion auch „Wiesendermaditis“. Zur Linderung werden gute Ergebnisse mit Johanniskraut- und Sanddornfruchtfleischöl erzielt.
Furanocumarine werden mit bestimmten Pflanzen (Bergamotte, Bischofskraut) in der Fotochemotherapie angewandt, da nach 1-2 Tagen Anwendung eine starke Neubildung von Melanin angestoßen wird, was bei dosierter Einnahme einen lang anhaltenden indirekten Bräunungseffekt ergibt. [iv]
Pyranocumarine
Diese Cumarinverbindungen wirken stark koronarerweiternd und in geringem Maße auch spasmolytisch (= krampflösend) auf die glatte Muskulatur von Bronchien, Magen-, Darm- und Harntrakt, der Gallenblase und des Uterus. Vorkommen: vor allem in Dolden- und Rautengewächsen.[v]
Vorkommen
Eine höhere Konzentration ist in Wurzeln, Früchten und Samen zu finden und vorwiegend bei Doldenblütlern.
Einige Beispiele aus den Kräutern sind Waldmeister, Anis, Bruchkraut, Kamille, Mariengras (geschützt), Ruchgras, Löwenzahn Steinklee und Honigklee.
Vorkommen von Furanocumarinen: Angelika, Bärenklau, Riesenbärenklau (auch Herkulesstaude genannt), Bibernelle, Pastinake, Petersilie, Schafgarbe, Diptam, Sellerie, Weinraute, Zitrusarten, Lavendel, Engelwurz, Liebstöckel.
Funktion für die Pflanze
Cumarine wirken als Fraßschutz, sind keimhemmend und fördern das Wurzelwachstum in der Pflanze.[vi]
Wirkung & Verwendung
Einfache Cumarine werden vom Magen-Darm-Trakt gut resorbiert und gelangen danach als fettlösliche Stoffe in das zentrale Nervensystem, wo sie unspezifische Wirkungen entfalten.
Unter anderem wirken sie gefäßentkrampfend, zentralsedierend, ödemhemmend, entzündungshemmend, lymphabflussfördernd.[vii]
Darüber hinaus wirken sie zirkulationsfördernd somit durchblutungsfördernd und wärmend, was bei Arthrose und Gelenkschmerzen wohltuend ist.
Niedrig dosiert wird die „blutverdünnende“ Eigenschaft zur Prophylaxe von Thrombosen und Embolien genutzt, vor allem zur Vermeidung von Herz- Kreislauferkrankungen.
Äußerlich angewandt
- Behandlung von stumpfen Traumen (Prellungen, Verstauchungen, oberflächlichen Blutergüssen) (z.B. Heublumen, Kamille)
- Lymphstauungen (z.B. Steinklee)
- Rheumatischen Beschwerden, Gelenkbeschwerden, nach Knochenbrüchen, nach Muskel- oder Sehnenunfällen (z.B. Heublumen, Kamille)
Innerlich angewandt
- Ödemprophylaxe
- Bei chronisch venöser Insuffizienz
- Behandlung von Hämorrhoiden
- Krampflinderung (z.B. bei nächtlichen Wadenkrämpfen)
Wegen seines Dufts nach frischem Heu ist Cumarin in der Parfümindustrie beliebt.
Nebenwirkungen
Zu hoch dosierte Cumarine können zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit und Schlafsucht führen. Bei extrem hoch dosierten Mengen kann es zu Atemstillstand kommen. Es wird empfohlen, nicht mehr als 3g des Krautes (ca. 13 Waldmeisterstängel pro Liter pro Tag) einzunehmen.[viii]
Besonders der Riesenbärenklau, der in unseren Breiten ein Neophyt aus dem Kaukasus ist, enthält sehr hohe Anteile an Furanocumarinen.
Löslichkeit
Cumarine sind fettlöslich (lipophil = fettliebend) und alkohollöslich.[ix]
Cumaringlycoside (= das noch an der Pflanze gebundene Cumarin): wasserlöslich
Geschichte
„1820 wurde der Stoff erstmalig von einem französischen Apotheker aus der Tonkabohne isoliert, danach isolierte ein Apotheker aus Hannover Cumarin aus Waldmeister.
Im Jahr 1922 grassierte die „Blähsucht“ und viele Tiere verbluteten. Ein Bauer brachte einem Chemiker den Kadaver seines verendeten Rindes, einen Behälter mit nicht gerinnendem Blut und das „vergammelte“ Heu, das dem Tier als Futter vorgesetzt worden war. Seine Erkenntnis: Das einfache Cumarin des mit Süßklee versetzten Heus verwandelt sich durch Gärung und Fäulnis zu Dicumarol und hemmt in diesem Zustand die Gerinnung. Das war der Beginn der Erforschung der Cumarine und der blutgerinnungshemmenden Eigenschaften von Dicumarolverbindungen.“[x]
[i] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 128
[ii] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 128
[iii] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 128
[iv] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 128
[v] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 129f
[vi] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 128
[vii] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 129f
[viii] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 129f
[ix] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 129f
[x] Praxis-Lehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie von Ursel Bühring | Karl F. Haug Verlag (ISBN: 978-3830477495), 4. Auflage, 2014, S. 128