Pflanzliche Gemmotherapie abgeleitet vom Wort „gemma“ (lat.) das für Knospe oder Knopf steht. Als „Gemma“ wurde auch der Edelstein am Ende des Schwertgriffes bezeichnet – daher auch die Bezeichnung „Gemmologie“ für die Edelsteinkunde ist. Bleiben wir aber bei den Pflanzen.
Embryonales Gewebe

… das ist das Stichwort woraus sich die Gemmotherapie bedient. Embryonalgewebe ist auf Wachstum und Zellvermehrung programmiert. Das aus undifferenzierten, embryonalen Zellen bestehende Meristemgewebe (Stammzellen) scheidet ständig differenzierende Zellen ab und das ohne Ende im wahrsten Sinn des Wortes. Aus einer dieser Zellen, auch Stammzellen genannt, kann sich unter Laborbedingungen eine vollständige Pflanze bilden. Diese kleinen Wunder haben den kompletten Bauplan (seit Corona kennen wir den Begriff „RNA“) in sich und das Maximum an möglichen Lebenskräften der Pflanze. Der abgebildete Querschnitte einer Fliederknospe zeigt eigentlich den Baum im Miniformat. 🌳
Wachstumsgewebe finden sich in fast allen Bestandteilen der Pflanzen in unterschiedlichen Konzentrationen wieder und das über das gesamte Jahr. Natürlich ist im Frühling der Anteil am höchsten, da die Pflanzen wieder aus ihrer Winterruhe aufwachen.
- Knospen: geschlossen oder sich öffnend
- Kätzchen: bis zur Vollreife
- Blüten: Blütenknospen bis zur vollständigen Öffnung
- Früchte: ausgebildete oder auskeimende Samen
- Sprossen: Jungtriebe
- Keimlinge
- junge Blätter
- Baumwasser: Baumsäfte während der Öffnung der Knospen
- Rinde: junge, glatte und feuchte Rinde
- Wurzeln: junge, wachsende Wurzeln in Ruhephase der Bäume
- Harze, Gummi: frische, feuchte Harze und Baumgummi

So wachsen Knospen
Bis aus einer Knospe ein mächtiger Baum wird, sind viele chemische Vorgänge, die durch spezielle Phytohormone initiiert werden, am Werk. Phytohormone sind Botenstoffe, die die Wachstumsprozesse der Pflanzen koordinieren – quasi das Kommunikations- und Steuerungssystem. Darunter sind folgende hauptsächlich zu finden:
- Auxine
Verantwortlich unter anderem für das Längenwachstum, die Schwerkraftausrichtung, die Zellteilung und verlangsamen den Alterungsprozess der Pflanzen - Gibbereline
stimuliert den Aufbau von Meristemgewebe, bringt die Knospen zum Blühen und für die Geschlechtsdifferenzierung zuständig. - Cytokinine
stimuliert die Produktion von Chlorophyll, erhöht die Fähigkeit der Zellteilung, verzögert aber auch den Alterungsprozess und kann definierte Zellen wieder in den merismatischen Zustand zurückversetzen. - Abcisinsäure (alt: Dormin)
das Schlafmittel der Pflanzen und leitet die Ruhephase von Samen, Knospen und weiteren Pflanzenteilen ein. Es beeinflusst die Kälteresistenz und somit die Überlebensfähigkeiten der Knospen im Winter. Sie ist auch Verantwortlich für den Laubabfall indem sie die Bildung einer Trennschicht zwischen Blattstiel, Früchten und Stielen forciert.
Natürlich sind noch weitere Inhaltsstoffe vorhanden, wie Chlorophyl, Mineralien, Vitamine, Proteine, ätherische Öle, Bitterstoffe, Gerbstoffe, u.v.m.

Warum Knospen wirken
Da die Menschen und Pflanzen aus einer gemeinsamen Urzelle stammen und unser Gencode sogar bis zu 75% übereinstimmt, lässt sich nachvollziehen, warum wir Menschen auf Pflanzen „anspringen“.
Kräuter nehmen oft die Funktion der Entgiftung (Ableitung, Stimulierung der Verdauungsorgane) oder des Schutzes (z.B. Schutzfilm via Saponine) ein, Knospen hingegen arbeiten auf zellulärer Ebene. Vereinfacht ausgedrückt feuern Knospen unsere eigenen Körperzellen an.
Das embryonale Gewebe in den Pflanzen
- aktiviert die Selbstheilungskräfte
- verbessert die Zellkommunikation
- harmonisiert die Stoffwechselprozesse
- unterstützt die Zellregeneration und
- startet Reparaturprogramme und dreht sogar die biologische Uhr der Zellen zurück

Geburten und die Kraft der Knospen
Ein bekanntes Beispiel des Einsatzes von Knospen und jungen Pflanzentrieben zeigen Birkenknospen, die in Form von Pulver von Hebammen stets mit sich mitgeführt werden (wobei diese nicht älter als 6 Monate sein sollten).
Bei gebärenden Frauen, deren Nachgeburt nicht abging, mischten Hebammen Birkenknospenpulver in ein simmerndes Wasser mit einem Schuss Essig und verabreichten es den Wöchnerinnen. Die Nachgeburt löste sich binnen eines Tages.
Knospen sammeln und verarbeiten
Aufgrund ihrer starken Wirkung und natürlich auch zum Schutz der Pflanzen, reichen nur sehr wenig Knospen aus, um eine gewünschte Reaktion zu erzielen. Oftmals reicht eine Knospe gut zerkaut pro Tag.
Zum Sammeln von Kräutern nimm einen Korb. Zum Sammeln von Knospen nimm einen Fingerhut.
unbekannt
Lagern sollte man Knospen stets dunkel und eher kühler. Hintergrund ist, dass das embryonale Gewebe mit dem Licht reagiert bzw. dadurch Wachstumsprozesse, wie oben beschrieben, angeregt werden. Bei einer Lagerung wäre das eher hinderlich.

einige Grundrezepte mit Knospen
Als Faustregel kann man sagen: 1 TL bis 1 EL Knospenmaterial pro 100 ml Auszugsstoff.
Knospen-/Triebspitzenpulver
Knospen bzw. Triebspitzen zerkleinern, trocknen und zu Pulver zermahlen.
Das Pulver durch ein Sieb in ein dunkles Gefäß abfüllen.
Gut eignen sich dafür Nadelbäume. Das Pulver kann in weiterer Folge mit Salz vermischt oder gleich direkt auf Spesen oder in Smoothies verteilt werden.
Knospen-Oxymel
Das Oxymel (Oxy = sauer; Mel = Honig) oder auch Sauerhonig genannt, ist schon seit der Antike bekannt, um Kräuter haltbar zu machen und wurde in der Volksmedizin angewandt. Es ist eine gute Alternative zu alkoholhaltigen Tinkturen und daher auch besonders gut geeignet für Kinder.
Zutaten und Zubereitung
- 1 Teil Essig
- 3 Teile Honig
Alle Zutaten gut vermischen und an einem dunklen, zimmerwarmen Ort ca. 4-6 Wochen ziehen lassen. Regelmäßig durchschütteln.
Nach ca. 4-6 Wochen kann das Oxymel durch ein Sieb gefiltert abgefüllt werden, was jedoch nicht zwingend notwendig ist. Die Kräuter bzw. Knospen können auch im Oxymel verbleiben.
Das Oxymel 1TL (Kinder) – 1EL (Erwachsene) kann pur oder in Wasser verdünnt täglich in der Früh auf nüchternen Magen eingenommen werden.
Weiterführende Infos finden sich im Beitrag über Oxymel.

Sole
- 250ml Wasser
- 70g Salz (ich verwende Ursalz)
Wasser mit Salz in ein verschließbares Glas geben, gut vermischen und über Nacht stehen lassen. Am nächsten Tag die Knospen gut zerkleinert in ein verschließbares Glas geben und mit der Basis-Sole bedecken. Ca. 4-5 Wochen an einem ziehen lassen und regelmäßig schütteln.

Gemmo-Extrakt / -Mazerat
1 Teil Knospen
3 Teile Wasser
3 Teile Glyzerin
3 Teile Alkohol (ca. 40%)
Pflanzenteile zerkleinern und mit den restlichen Zutaten in eine Flasche geben. Ca. drei Wochen dunkel stehen lassen und immer wieder schütteln. Abfiltern und in eine dunkle Flasche mit Zerstäuber geben.
Bei Bedarf 3-4 Hübe in den Mund sprühen (Benetzung der Schleimhaut) oder 10 – 30 Tropfen in ein Wasser geben und einnehmen.
Haltbarkeit: ca. 1-2 Jahre
Blütenknospen-„Kapern“
Ein Haltbarmachen von Blütenknospen ist einfach gemacht und als Beigabe bei Salaten sehr schmackhaft.
- 200 ml Wasser
- 2 EL Salz (am besten unjodiert)
- 200 ml naturtrüben Apfelessig
Das Salz mit dem Wasser vermischen und die Blütenknospen (z.B. Gänseblümchen) hinzugeben – über Nacht abgedeckt ziehen lassen.
Den Essig in einem Topf kurz aufkochen und etwas abkühlen lassen. Dann gemeinsam den Essig mit dem Blütenknospen-Gemisch in ein großes Einmachglas mit weitem Hals füllen. Ca. zwei Wochen bei Zimmertemperatur ziehen lassen. Danach kühl und dunkel lagern.
Detailbeitrag über Gänseblümchenkapern ist hier nachzulesen.

Liste ausgewählter Knospen
Pflanze | Verwendete Pflanzenteile | Besonderheit | Wirkung |
Ahorn | Knospen | Leicht süßer und milder Geschmack; Bergahorn am zuckerhaltigsten (grüne Knospen); Feldahorn am kleinsten | Kühlend, beruhigend, gegen Atherosklerose, blutzuckersenkend |
Apfel | Knospen | Gegen Kopfweh (z.B. in Olivenöl eingelegt) | |
Birke | Junge Blüten und Blätter, Knospen | Ausleitend der Nachgeburt, entgiftend, entzündungshemmend | |
Brombeere | Triebspitzen | Gefäßverkalkungen, Arthrose im Alter, schmerzhafte Osteoporose, Rheuma, Bluthochdruck, erhöhter Blutzuckerspiegel | |
Dirndl (Kornelkirsche) | Knospen | Auch in der Küche gut einsetzbar (Blütenknospen) | immunstimmulierend, entzündungshemmend |
Esche | Knospen | Schwarze Knospen | Entzündungshemmend, erhöht die Elastizität der Gelenke, entsäuernd, bei Rheuma. |
Flieder | Knospen | Doppelte Endknospe, rund | Herzinsuffizienz, erweiternd für die Herzkranzgefäße |
Hagebutte | Triebspitzen, einj. Triebe | Rote Knospen | Allergisches Asthma, Kopfschmerzen, Entzündungen der oberen Atmungsorgane, Migräne, Gelenksentzündungen, Wachstumsverzögerungen bei Kindern, Ekzeme |
Hagebutte | Rinde | Zusammenziehend (für Gesichtswasser / Akne) | |
Hagebutte | Junge Blätter | Kühlend (z.B. bei Verbrennungen) | |
Hainbuche | Knospen | Entzündungen der oberen Schleimhäute, blutstillend | |
Hartriegel roter | Knospen | Rote Äste nur auf sonnenzugewandter Seite | Herzstärkend, erhöht die Elastizität des Gewebes |
Hasel | Knospen | einhäusig, männlich: längliche Kätzchen weiblich: Blütenknospen rot bewimpert (enthält Embryonalgewebe) | Unterstützen die Leberaktivität, bei Lungenbeschwerden, fördert die Gewebselastizität, Reinigung der Lunge Männliche Kätzchen enthalten viele Proteine und Mineralien: als Pulver gut verwendbar |
Hasel | Junge Blätter | In Salat Haselwasser: Blätter in Wasser eingelegt | Vitalisierend, erhöht die Elastizität des Gewebes |
Hibiskus | Knospen | Schleimlösend | |
Himbeere | Triebspitzen | Störungen der weiblichen Sexualorgane, Menstruationsbeschwerden, PMS, Schwellungen der Genitalorgane, sexuelle Funktionsstörungen | |
Holunder schwarz | Triebspitzen | Lila Blätter (Antocyane) | Zur „Exkretion“ = Ausscheidung von überflüssigen Stoffwechselprodukten; gilt generell als „Strahlungsbinder“ |
Holunder schwarz | Knospen | Sehr früh bereits vorhanden | harntreibend, fiebersenkend, antioxidativ, fruchtbarkeitssteigernd, zellschützend |
Linde | Junge Blüten und Blätter | Beruhigend | |
Linde | Knospen | (Sommerlinde hat weiße Knospen, Winterlinde behaarte Knospen) | bei Nervosität |
Mistel | Knospen | Bluthochdruck, Menopause-Beschwerden, Epilepsie, Stoffwechselstörungen | |
Platane | Knospen | Akne, Pigmentstörungen, wie Vitiligo, Schuppenflechte | |
Rosskastanie | Knospen | Venenprobleme, Hämorrhoiden, Gefäßerweiterungen | |
Rosskastanie | Knospen | Große Endknospe, sehr harzig, schuppig | Bei Krampfadern, Gefäßverkalkungen, -ablagerungen, adstringierend |
Sanddorn | Knospen | Immunstärkend, nervenstärkend, Erschöpfungszustände, Altersschwäche, physische und psychische Schockzustände, Erkrankung der Atmungsorgane, stärken die Abwehrkräfte gegen Verkühlung und Grippe | |
Schlehdorn | Knospe | Vorderste Knospe = Spross | Angstzustände, Schwächezustände, Rekonvaleszenz, immunstärkend |
Schneeball wollig | Blütenknospen | Bis auf die Früchte, ist der Schneeball giftig, jedoch in der Gemmotherapie wird er verwendet | bei Asthma, Bronchien (entkrampfend) |
Schwarze Johannisbeere | Knospen | Kortisonähnliche Wirkung, wirken gegen allergisches Asthma, Juckreiz, Arthrose, Infektionskrankheiten, Entzündungen des Atmungssystems als auch Allergien und allergische Reaktionen, venenschützend | |
Schwarze Maulbeere | Knospen | Diabetes, Milz | |
Schwarzerle | Knospen | Verbessert die Blutversorgung des Gehirns, entzündungshemmend auf Schleimhäute, Entzündungen der Atmungsorgane, Erkrankungen des Verdauungssystems | |
Schwarzpappel | Knospen | Leichtes Brennen auf der Zunge, bildet gelbe Zähne, das rasch wieder vergeht, enthält viel Harze | Durchblutungsstörungen der unteren Extremitäten, entzündliche Gelenkserkrankungen, stärken die Gefäßwände, verhindern die Verhärtung der Arterien, Fieberblasen, Brandverletzungen, Hämorrhoiden |
Walnuss | Knospen | Blattnarbe ist oberhalb der Knospe | immunstimmulierend, Hyperglykämie, entgiftend, bauchspeicheldrüsenregulierend, Psoriasis, Dermatitis, Ekzeme, Akne, reguliert Magen-Darm-Beschwerden, unterstützt die Leberaktivität, bekämpft Entzündungen der Blutgefäße und Atmungsorgane |
Walnuss | Junge Blüten und Blätter | Treibt sehr spät aus. Junge Triebe, die braun und zum Stamm hin gräulich werden. | Entschlackend, in der Hautheilkunde bekannt, potenzsteigernd |
Weinrebe | Knospen | Arthritis, Gelenksveränderungen, Rheuma, Arthrose | |
Weißdorn | Knospen | Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen, Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, Schlaflosigkeit |
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Hinweis:
‼️ACHTUNG rechtliche Hinweise: 🧑⚖️
Wer gegen eine oder mehrere Zutaten allergisch ist, darf diese natürlich nicht verwenden. Für die Verwendung in Schwangerschaft, Stillzeit, bei vorliegenden schweren Erkrankungen und für Kinder, ist Rat beim Arzt einzuholen.
📌 Die Wirkungsweisen der einzelnen Zutaten, Kräuter und Rohstoffen, Rezeptvorschläge und Anwendungsideen basieren rein auf Erfahrungswerten, Recherchen und volksheilkundlichen Überlieferungen und sollen eine ärztliche Behandlung oder Medikation NICHT ersetzen.
📌 Heilversprechen zur Linderung und / oder Behandlung von gesundheitlichen Problemen und Erkrankungen werden in keinster Weise in meinen Beiträgen abgegeben. Rezepte oder Empfehlungen werden auf eigene Gefahr nachgemacht.
Quellen:
Gemmotherapie: Die neue Pflanzenmedizin; Koll, Kathrin, Keim, Ulrike GRÄFE UND UNZER Verlag (ISBN: 978-3833841330), 2015
Gemmotherapie – Knospen in der Naturheilkunde; Chrischta Ganz, Louis Hutter AT-Verlag (ISBN: 978-3-03800-844-6), 2. Auflage, 2016
Knospen: und die lebendigen Kräfte der Bäume; Gabriela Nedoma Freya (ISBN: 978-3990251195), 2014
Kursunterlagen: „Knospen“ von und mit Mag. Ronald Kirnbauer
Kursunterlagen: „Knospen“ von und mit Gabriela Nedoma
Kursunterlagen: „Die heilsame Kramft der Bäume – Knospen“ von und mit Barbara Freyberger